Die feine Linie zwischen Motivation und Manipulation
Neulich habe ich jemandem erzählt, dass ich im Studium das Thema Motivation (und Entscheidungen) mit ganz besonderer Begeisterung gelernt habe. Die darauf folgende (scherzhafte) Frage hat mich zum Nachdenken gebracht: „Dann kannst du mich also richtig gut manipulieren? Bringst du mir das bei?“
Ja, die Motivation einer Person kann bis zu einem gewissen Grad gegen ihren bewussten Willen beeinflusst werden und damit auch ihre Entscheidungen. Allerdings ist das ein komplexer Prozess und nicht nur ethisch fragwürdig, sondern meist ökonomisch völlig sinnlos.
Es gibt verschiedene Methoden und Theorien, wie Motivation beeinflusst werden kann, auch wenn die betroffene Person nicht aktiv bereit ist, ihre Motivation zu ändern. Die vier wichtigsten Formen sind diese:
Über den Autor:
Lars ist Experte für die Kommunikationen in Unternehmen und agile Methoden. Im Leadership Campus ist er verantwortlich für die Fortbildungsangebote.
- Externe Anreize: Belohnungen oder Strafen können das Verhalten und somit indirekt die Motivation beeinflussen, selbst wenn die Person ursprünglich nicht motiviert ist. Dies wird oft im Arbeits- oder Bildungskontext angewendet.
- Psychologische Beeinflussung: Subtile Formen der Überzeugung durch Reize und Botschaften, können Menschen dazu bringen, bestimmte Dinge zu tun, die sie zunächst nicht tun wollten. Sprache ist hier das mächtigste Werkzeug.
- Sozialer Druck: Gruppenzwang oder soziale Erwartungen können eine starke motivationale Kraft darstellen. Eine Person könnte sich gezwungen fühlen, etwas zu tun, um nicht negativ aufzufallen oder soziale Anerkennung zu verlieren.
- Priming und Konditionierung: Durch wiederholte Assoziationen oder das gezielte Setzen von Hinweisen kann das Verhalten und somit die Motivation von Personen beeinflusst werden, ohne dass sie sich dessen bewusst sind.
Sobald durch diese Beeinflussungen das Recht auf Selbstbestimmung und Balance von Geben und Nehmen verletzen, sprechen wir von Manipulation.
Warum Manipulation langfristig schadet
Manipulation bezeichnet den gezielten und meist verdeckten Versuch, das Denken, Verhalten oder die Entscheidungen einer Person oder einer Gruppe zu beeinflussen, um eigene Ziele oder Vorteile zu erreichen. Der Manipulator nutzt dabei oft indirekte, subtile oder täuschende Methoden, die die betroffene Person oder Gruppe nicht unmittelbar als Einflussnahme erkennen. Dies geschieht in der Regel, ohne dass das Wohl oder die Interessen der manipulierten Person ausreichend berücksichtigt werden.
Wichtige Merkmale der Manipulation:
- Verdeckte Agenda: Die Absicht des Manipulators bleibt für das Opfer unklar oder wird verborgen.
- Selbstinteresse: Der Manipulator verfolgt eigene Ziele oder Vorteile.
- Beeinflussung des Verhaltens: Manipulation zielt darauf ab, das Verhalten, die Meinungen oder die Entscheidungen anderer zu ändern.
- Mangel an Offenheit: Es fehlt an Ehrlichkeit und Transparenz in der Kommunikation.
- Missachtung des Wohls des Gegenüber: Die Bedürfnisse oder Ziele der betroffenen Person werden ignoriert oder absichtlich übergangen.
Manipulation wird zurecht als unethisch betrachtet, weil sie die Autonomie und Entscheidungsfreiheit des manipulierten Individuums untergräbt. Dennoch wird die Fähigkeit zur Täuschung für sich alleine genommen, in der Wissenschaft weitaus positiver bewertet, als es die „Küchentisch-Psychologie“ wahrhaben will. Dennoch hat der Volksmund recht, wenn er behauptet, Lügen hätten kurze Beine.
Im Bezug auf die Motivation ist Manipulation daher keine sonderlich effiziente Methode. Sie ist sehr instabil und wirkt ohnehin nur auf die extrinsische Motivation. Als Führungskraft solltest du die Möglichkeiten der Beeinflussung von Motivation dennoch kennen, da dies nötig ist, um das eigene Verhalten zu reflektieren.
Durch dein Verhalten und deine Kommunikation nimmst du nicht nur bewusst sondern auch unbewusst Einfluss auf die Motivation anderer und kannst damit ebenso die schädlichen Effekte einer Manipulation auslösen. Vorsatz ist kein notwendiges Merkmal für Manipulation! Auch gelernte Verhaltensmuster und Glaubenssätze können manipulativ auf deine Mitarbeitenden wirken, ohne dass dies deine Absicht war.
Die vorsätzliche wie auch die versehentliche Manipulation wird in der Regel zum Nachteil für den Manipulator, sobald sich die Betroffenen der negativen Konsequenzen bewusst werden. Diese Nachteile äußern sich meist in Konflikten, die wiederum auf den Manipulator zurückfallen. Hier sind einige Beispiele für Konfliktursachen, die durch Manipulation entstehen können:
1. Vertrauensverlust
Manipulierte Personen merken mit der Zeit, dass sie beeinflusst wurden. Sobald jemand bemerkt, dass seine Motivation gegen seinen Willen manipuliert wurde, führt dies in aller Regel zu einem tiefen Vertrauensverlust gegenüber dem Manipulator. Vertrauen ist schwer wiederherzustellen, und ohne Vertrauen wird zukünftige Zusammenarbeit oder Einflussnahme erschwert.
2. Reaktanz
Reaktanz ist ein psychologisches Phänomen, bei dem Menschen eine starke Abwehrhaltung entwickeln, wenn sie das Gefühl haben, in ihrer Freiheit eingeschränkt oder manipuliert zu werden. Dies kann dazu führen, dass die Person das Gegenteil von dem tut, was der Manipulator erreichen wollte, und sogar aktiv gegen dessen Interessen arbeitet.
3. Rache und Widerstand
Manipulation kann Ressentiments wecken und dazu führen, dass die manipulierte Person versucht, sich zu rächen oder passiven Widerstand zu leisten. Im beruflichen Kontext könnte das zu Sabotage, niedriger Arbeitsmoral oder der (inneren) Kündigung wichtiger Mitarbeiter führen. Wenn du in deinem Unternehmen oder der Abteilung eine hohe Fluktuation feststellst, dann kann das ein Hinweis darauf sein, dass seitens der Führung systematisch mit Manipulation gearbeitet wird.
4. Mangelnde Nachhaltigkeit
Motivation, die durch Manipulation erzeugt wird, ist selten langfristig aufrechtzuerhalten. Wenn die manipulierte Person den äußeren Druck oder die Manipulation erkennt, verliert sie oft die Motivation, das gewünschte Verhalten weiter auszuführen, sobald der Manipulator nicht mehr direkt eingreift. Wenn eine Bonuszahlung zu besserer Leistung führen soll, muss sie kontinuierlich steigen – theoretisch bis ins Unendliche. Erkläre das mal dem CFO!
Insgesamt kann der Versuch, die Motivation anderer zu manipulieren, kurzfristige Gewinne bringen, aber langfristig verursacht sie stets erheblichen Schaden für den Manipulator und das Unternehmen. Deshalb sollte die Entstehung von Motivation zum Wissenskanon jeder Führungskraft gehören. NICHT, weil man dadurch Arbeitskräfte manipulieren kann, sondern weil die fehlende Absicht nicht vor den Konsequenzen schützt. Das Wissen selbst hilft keinem bei der Manipulation. Wenn ich aber Sprach- und Verhaltensmuster haben, die manipulativ wirken, kann ich diese leichter entdecken.
Die Bedeutung der intrinsischen Motivation
Langfristig ist ohnehin die intrinsische Motivation, stabiler und nachhaltiger. Sie ist die Motivation, die aus innerem Antrieb entsteht, weil eine Tätigkeit oder Handlung als befriedigend, spannend oder sinnvoll empfunden wird, unabhängig von externen Belohnungen oder Druck. Menschen, die intrinsisch motiviert sind, führen eine Aktivität um ihrer selbst willen aus, weil sie Freude daran haben, persönliche Erfüllung finden oder sich weiterentwickeln wollen. Zu den Eigenschaften intrinsischer Motivation gehören:
1. Interesse und Freude an der Tätigkeit: Du führst eine Aufgabe aus, weil du sie interessant oder spannend findest. Die Aktivität selbst macht Spaß und ist lohnend, unabhängig von äußeren Belohnungen.
2. Selbstbestimmung: Du fühlst dich in deinem Handeln frei und autonom. Du entscheidest selbst, was du tust, und hast das Gefühl, Kontrolle über deine Entscheidungen und Handlungen zu haben.
3. Lern- und Wachstumswille: Du suchst aktiv nach Gelegenheiten, dich weiterzuentwickeln oder neue Fähigkeiten zu erwerben, weil du die Herausforderung magst und dich verbessern möchtest, nicht nur, um Belohnungen oder Anerkennung zu erhalten.
4. Langfristige Zielorientierung: Intrinsisch motivierte Menschen verfolgen oft langfristige, persönlich bedeutsame Ziele, selbst wenn es kurzfristig schwierig ist oder keine unmittelbaren Belohnungen sichtbar sind.
5. Fokus und Engagement: Bei intrinsischer Motivation bist du tief in eine Aufgabe vertieft und erlebst oft den sogenannten „Flow“-Zustand, bei dem du die Zeit vergisst und völlig in die Tätigkeit eintauchst.
6. Innere Zufriedenheit: Du empfindest Stolz und Erfüllung, wenn du eine Aufgabe abschließt, weil du sie gut gemacht hast und nicht, weil du dafür eine Belohnung oder Lob erhältst.
Strategien für ein motivierendes Arbeitsumfeld
Schon ein externer Anreiz kann jede intrinsische Motivation zerstören – in jedem Fall aber tut dies Manipulation. Intrinsische Motivation kannst du als Führungskraft nur ermöglichen – nie erzeugen. Das Wissen um die Entstehung von Motivation hilft dir daher, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, damit deinen Mitarbeitenden wieder intrinsische Motivation entwickeln können.
Deshalb konnte ich auf die scherzhafte Frage nur Antworten: „Nein, ich kann dir nicht beibringen, wie du manipulierst. Das Wissen um die Entstehung von Motivation kann dir nur helfen versehentliche Manipulation zu verhindern, externe Anreize bewusst und sorgfältig zu nutzen und den Weg für intrinsische Motivation frei zu machen.“
Fazit: Mit Vertrauen und Wertschätzung zum Erfolg
Motivation ist ein entscheidender Faktor für den langfristigen Erfolg und das Engagement von Mitarbeitenden. Der Versuch, Motivation durch Manipulation zu beeinflussen, mag kurzfristig Erfolge bringen, führt jedoch fast immer zu langfristig negativen Folgen, wie Vertrauensverlust, Widerstand und ethischen Problemen. Manipulation untergräbt die Autonomie und zerstört intrinsische Motivation, die wesentlich stabiler und nachhaltiger ist.
Als Führungskraft solltest du dir bewusst sein, dass sowohl bewusste als auch unbewusste manipulative Verhaltensweisen in deinem Führungsstil auftreten können, selbst ohne Vorsatz. Daher ist es entscheidend, das eigene Verhalten und die Auswirkungen auf die Motivation anderer zu reflektieren. Statt auf extrinsische Anreize oder manipulative Taktiken zu setzen, solltest du ein Umfeld schaffen, in dem Mitarbeitende intrinsische Motivation entwickeln können.
Intrinsische Motivation erkennst du daran, dass Mitarbeitende Freude an ihrer Aufgabe haben und Begeisterung empfinden, auch ohne dass jemand zusieht oder Belohnungen in Aussicht stehen. Sie verlieren das Gefühl für die Zeit und sind voll und ganz in ihre Arbeit vertieft, was oft als „Flow“-Zustand bezeichnet wird. Menschen, die intrinsisch motiviert sind, haben den Wunsch, mehr zu lernen und sich zu verbessern, weil die Tätigkeit an sich sie antreibt.
Ein weiteres Merkmal ist, dass keine äußeren Anreize wie Lob, Druck oder Belohnungen notwendig sind, um ihre Motivation aufrechtzuerhalten – die Begeisterung kommt von innen. Solche Mitarbeitenden bleiben oft ausdauernd und engagiert, selbst wenn Herausforderungen oder Schwierigkeiten auftreten, weil sie ein persönliches Interesse an der Aufgabe oder dem Ziel haben.
Langfristig entsteht Vertrauen und Loyalität, wenn Mitarbeitende sich respektiert und wertgeschätzt fühlen. Intrinsische Motivation kannst du als Führungskraft nicht erzeugen, aber du kannst die Bedingungen schaffen, damit sie sich entfalten kann. Achte darauf, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und ein Umfeld zu fördern, in dem Mitarbeitende Selbstbestimmung und Sinn in ihrer Arbeit finden – das wird langfristig den größten Erfolg bringen.